Vorurteile sind zäh, und bis man sie aus der Welt geschafft hat, dauert es erfahrungsgemäß. Zwar bietet die Elektro- und Informationstechnik dank innovativer Technologien eine Vielzahl moderner Berufsbilder, denen – gerade mit Hinblick auf Klimaschutz und Digitalisierung – auch noch eine ganz neue Bedeutung zukommt. Nur hat sich das noch nicht überall herumgesprochen. So zeigten Umfragen von Mitgliedern des europäischen elektrohandwerklichen Netzwerks EuropeOn – die deutschen E-Handwerke werden hier durch den ZVEH vertreten –, dass elektrohandwerkliche Arbeit teilweise noch immer mit Begriffen wie „Blaukittel-Job“, „schlecht bezahlt“, „gefährlich“ oder auch „von Männern dominiert“ beschrieben werden.
Für das Netzwerk Grund genug, seine Mitglieder aus zwölf europäischen Ländern zu einem Austausch über Image und Möglichkeiten der Imageverbesserung einzuladen. Denn der Fachkräftebedarf steigt in fast jedem Land Europas kontinuierlich an, und so berichteten vergangene Woche Vertreter aus England, Schweden, Finnland, Dänemark, den Niederlanden und Belgien über ihre Aktivitäten – das Image der Branche weiter aufzuwerten, den Nachwuchs für eine handwerkliche Ausbildung zu begeistern und mehr Frauen in technische Berufe zu vermitteln.
Besonders hoch ist der Druck in Finnland. So berichtete Paula Ihamäki, von der finnischen Organisation STUL, dass das skandinavische Land, um die kontinuierlich zurückgehende Bewerberzahl wieder zu erhöhen, vor allem den Klimaschutzaspekt der Berufsbilder stärker betone und insbesondere Frauen anzusprechen versuche. 50 Prozent der künftigen Elektrohandwerker sollen, so hat sich STUL vorgenommen, weiblich sein – ein ehrgeiziges Ziel!
Ihr Kollege, Jorgen Prosper Sorensen von der dänischen Branchenvertretung Tekniq erläuterte hingegen, dass man dort bei der Ansprache Jugendlicher die Aspekte „Schulbildung“ und „Karrieremöglichkeiten“ betone, weil viele potentielle Interessenten eine elektrohandwerkliche Ausbildung mit einer eher niedrigen Qualifikation und schlechten Verdienstmöglichkeiten assoziieren. Der Verband modernisierte und flexibilisierte daraufhin die Ausbildung, baute Module zu Themen wie „BIM“, „KI“ oder auch „Green Skills“ ein, warb über soziale und andere Medien mit den Schlagworten „zukunftssicher“, „innovativ“, „gut bezahlt“ und „nachhaltig“ – und hatte damit Erfolg: Die Bewerberzahlen stiegen um 88 Prozent!
Filme, Online-Content und eine zielgruppengerechte, moderne Ansprache – darauf setzt der belgische Verband Volta. Hier berichtete Marleen Van der Straten von der ebenfalls sehr erfolgreichen „Inflow“-Kampagne, in deren Rahmen nicht nur eigene Communities für Jugendliche und Mitarbeiter elektrohandwerklicher Unternehmen geschaffen worden seien, sondern die auch Kinder sowie deren Eltern und Lehrer im Blick habe. Schweden wiederum hat, das machte Pernilla Ankarberg deutlich, vor allem Frauen im Fokus. Dass junge Frauen in der Branche sich immer wieder fragen lassen müssten, wie sie hier gelandet seien, sage viel über das Bild von Frauen in technischen Berufen aus, befand die Content-Expertin und ging dann der Frage nach, warum Mädchen trotz gleicher Bildung und anfänglich gleicher Begeisterung für Technik dieses Interesse im Laufe der Schulzeit verlieren würden oder sogar abgewöhnt bekämen. Ihr Fazit: Um Frauen zu erreichen, brauche es eine andere Art der Kommunikation. So müsse etwa das vorhandene „Electricity & Energy“-Programm stärker beworben werden.
Einen Überblick über ihre Kampagnen gaben zudem Judith van Heeswijk von der niederländischen Organisation sowie Andrew Eldred für England, Wales und Irland. Beide Organisationen setzen dabei ähnliche Schwerpunkte wie der ZVEH. Während Holland mit dem Slogan „Zukunftsmacher“ Themen wie „Nachhaltigkeit“, „Digitalisierung“ und „technologische Innovationen“ herausstreicht, versucht man auf der Insel, mit „Future Faradays“ oder dem Gamification-Programm „Amped up“ Jugendliche auf unkonventionelle Art für eine Ausbildung zu begeistern. Wie in Deutschland erhofft man sich, dass unter anderem über neu entstehende Märkte wie die Smart-Home-Integration oder den Trend zu Wärmepumpen ganz neue Zielgruppen auf die Branche aufmerksam werden.
Bei allem Optimismus in Sachen Zukunft gab es am Ende auch warnende Töne: Begriffe wie „Klimaschützer“ und „Weltverbesserer“ dürften nicht inflationär gebraucht werden, merkte ein Teilnehmer der Austauschrunde an. Vor allem aber müssten sie immer in einen Kontext zu den E-Berufen gestellt und mit Inhalten aufgeladen werden. Denn nur wer wisse, was ihn in seinem Joballtag tatsächlich erwarte, gehe nicht blauäugig an die Berufsauswahl und bleibe der Branche dann auch treu.
Quelle: ZVEH
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